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Marquard, Odo

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Lebenslauf

geboren: 26. Februar 1928 in Stolp (heute Polen)

Odo Marquard studierte nach den Erfahrungen von politischer Indoktrination auf einer Internatsschule, Krieg und Kriegsgefangenschaft von 1947 – 1954 Germanistik, Philosophie und Theologie in Münster und Freiburg im Breisgau. 1954 promovierte er in Freiburg mit der Studie „Zum Problem der Logik des Scheins im Anschluss an Kant“. Bis zu seiner Habilitation im Jahre 1963 arbeitete er am Lehrstuhl für Philosophie in Münster. Von 1965 bis zu seiner Emeritierung im Jahre 1993 unterrichtete Marquard als ordentlicher Professor Philosophie an der Universität Gießen. 1984 erhielt er den Sigmund-Freud-Preis für wissenschaftliche Prosa, der Wissenschaftlern verliehen wird, denen es gelingt, komplizierte Sachverhalte der jeweiligen Wissenschaft allgemeinverständlich darzustellen.


Bedeutung

Odo Marquard ist einer der bedeutendsten deutschen Philosophen der Gegenwart. Im Jahre 2008 wurde er für sein „wissenschaftliches Werk und den damit verbundenen weit reichenden Einfluss auf das gesellschaftliche Bewusstsein“ mit dem Großen Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Martin Luther war der theologische Urheber und Lehrer der Reformation. Sein erneuertes Christentum, seine Predigten und Schriften und besonders seine Bibelübersetzung führten zu einer nachhaltigen Veränderung der von der Römisch-katholischen Kirche dominierten Gesellschaft im ausgehenden Mittelalter und der beginnenden Neuzeit und zu einer bis heute andauernden Spaltung zwischen der Katholischen und der Protestantischen Kirche.


Lehre und Gedanken:

Odo Marquard hat sein philosophisches Denken überwiegend in kürzeren Essays öffentlich gemacht, die für ihren verständlichen, oft humoristischen und manchmal auch polemischen Stil gerühmt werden. Seine Art zu schreiben nannte Marquard selbst einmal „Transzendentalbelletristik“.

Nachdem Marquards Interesse am Anfang seines Philosophierens vor allem der idealistischen Geschichts- und Naturphilosophie (Kant, Hegel, Schelling, Fichte) galt, wandte er sich doch bald der epochenübergreifenden philosophischen Traditionslinie des skeptischen Denkens zu. Immer wieder betonte er die Aktualität des skeptischen Gedankenansatzes, der von der Antike (Sextus Empiricus) über die frühneuzeitliche Moralistik (Montaigne etc.) und Hume bis hin zu Nietzsche reicht. So ist Marquards Blick auf den Menschen und seine Fähigkeiten auch ein sehr skeptischer Blick: Der Mensch ist ein Mängelwesen, das von Vollkommenheit weit entfernt ist und eher nichts als etwas gewiss weiß. Dieses Nicht-Wissen des Menschen nennt Marquard „Inkompetenz“, die es zu kompensieren gilt. Die menschliche Fähigkeit, diese Inkompetenz zu kompensieren bezeichnete Marquard mit dem Wortungetüm „Inkompetenzkompensationskompetenz“.

Vor diesem Hintergrund entfachte Marquard in den 1980er-Jahren eine heftige Debatte um den Status der Geisteswissenschaften. Die Geisteswissenschaften könnten sich nur dadurch legitimieren, dass sie lebensweltliche Verluste kompensierten, die der Gesellschaft durch Modernisierungsschübe zugefügt worden seien. In dem Aufsatz „Über die Unvermeidlichkeit der Geisteswissenschaften“ schrieb Marquard:

„Je moderner die moderne Welt wird, desto unvermeidlicher werden die Geisteswissenschaften.“ (Odo Marquard: Apologie des Zufälligen)

Als einzig zukunftsträchtige Kernkompetenz der Geisteswissenschaften ließ Marquard die „Inkompetenzkompensationskompetenz“ gelten. Der menschliche Geist besaß für ihn nicht mehr die Kraft, die die Welt im Innersten zusammenhält, sondern lediglich eine Korrektivfunktion und orientierungsstiftende Bedeutung: das Erträglichmachen der modernen Lebenswelt durch Erzählen, Erklären und Bemänteln.

In zahlreichen Aufsätzen entwickelte Marquard in den 1980er- und 1990er-Jahren seine skeptische Philosophie der menschlichen Endlichkeit. Weil das menschliche Leben begrenzt ist, ist der Mensch kaum in der Lage, sich von ihn zufällig umgebenden Lebensumständen und -ordnungen zu distanzieren, er ist verfangen in einer „Apologie des Zufälligen“. So ist es nur folgerichtig, dass Marquard für die Philosophie eine leidenschaftliche Urteilsenthaltsamkeit, einen „Abschied vom Prinzipiellen“ fordert. Als bekennender Skeptiker gibt er den grundsätzlichen Anspruch auf, dass Entscheidungen von einem sicheren Wissen geleitet sein müssen; es genüge vielmehr, dass unsere Handlungen auf wahrscheinlichen Überlegungen beruhen.


Hauptwerke von Odo Marquard

„Abschied vom Prinzipiellen“ (1981)
Odo Marquard: Abschied vom Prinzipiellen. Philosophische Studien. Stuttgart: Reclam 1986.

„Apologie des Zufälligen“ (1986)
Odo Marquard: Apologie des Zufälligen. Stuttgart: Reclam 1996.

„Philosophie des Stattdessen“ (2000)
Odo Marquard: Philosophie des Stattdessen. Stuttgart: Reclam 2000. „Von der Freiheit eines Christenmenschen“ (1520)
„Vom unfreien Willen“ (1525)
„Der große Katechismus“ (1529)


Martin Luthers wichtigste Werke liegen in einer sechsbändigen Studienausgabe vor: Martin Luther. Studienausgabe in 6 Bänden. Berlin und Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 1980–1999. „Politik und Gewissen“ (1984)
Václav Havel: Politik und Gewissen, in: ders.: Am Anfang war das Wort. Reinbek: Rowohlt 1990.

„Moral in Zeiten der Globalisierung“ (1998)
Václav Havel: Moral in Zeiten der Globalisierung. Reinbek: Rowohlt 1998.


Quelle: Ernst Klett Verlag GmbH
Ort: Stuttgart
Quellendatum: 2010

Philosophen und Denker
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